Burnout: Zu einer neuen inneren Haltung 

Hoher wirtschaftlicher Druck, eigene hohe Ansprüche, personelle Engpässe; der Traum der Selbständigkeit wird für Stefan R. zum Albtraum. Der Versuch eines Neuanfangs.

Mit 45 Jahren verwirklichte ich meinen Traum und gründete mein eigenes Architekturbüro. Zuvor arbeitete ich über zehn Jahre bei einem Grossunternehmen im Angestelltenverhältnis. Ich galt dort als Zugpferd und erntete viel Lob für meine Arbeit. Mit den Jahren verlor ich die Freude an meiner Arbeit. Schwierige, stockende Projekte und die damit verbundenen Auseinandersetzungen frustrierten mich, und ich ärgerte mich, wenn andere meinen Erfolg für sich reklamierten.

Vor vier Jahren erhielt ich die Chance, ein kleines Architekturbüro zu übernehmen. Ich zögerte nicht lange und erfüllte mir den lang ersehnten Wunsch der Selbständigkeit. Zwei Kollegen, die ich aus langer Zusammenarbeit kannte, wechselten zu mir. Enthusiastisch entwickelten wir gemeinsam Projekte und nahmen an Wettbewerben teil. Der Druck war gross. Die Bewerbungen erforderten viel Zeit, entschädigt wird nur, wer den Projektzuschlag erhält. Leider war dies nur selten der Fall. Zunehmend gerieten wir in finanzielle Schieflage. Der Arbeitsaufwand war enorm, die Einkünfte bescheiden. Dazu kamen Fixkosten. Ich versuchte, die Situation mit zusätzlichem Arbeitseinsatz zu kompensieren. Arbeitete Tag und Nacht, an Wochenenden und gönnte mir zum Leidwesen meiner Familie kaum noch Freizeit oder Ferien.

Wichtige Projekte standen vor dem Abschluss, als eine Mitarbeiterin wegen Schwangerschaftskomplikationen plötzlich ausfiel. Ich versuchte, den personellen Engpass mit Eigenleistung zu kompensieren. Doch mir wurde alles zu viel. Ich war nervös, erschöpft, konnte weder abschalten noch schlafen. Die Kreativität blieb auf der Strecke. Ich vergass viel, war unkonzentriert und hatte häufig Kopfschmerzen. Gegenüber meinen Kindern war ich ungeduldig und reagierte bei Schwierigkeiten gereizt. Ich funktionierte nur noch, war überfordert und empfand die Situation als zunehmend aussichtlos. Meine Frau brachte mich schliesslich dazu, meinen Hausarzt aufzusuchen. Er diagnostizierte eine Erschöpfungsdepression. Der Hausarzt schrieb mich sofort krank und überwies mich an einen ambulanten Psychiater. Doch die Therapie reichte nicht aus. Ich fühlte mich nutzlos, gescheitert, und meine Gedanken kreisten ständig um die Arbeit. Ich zog mich immer mehr zurück. Daraufhin riet mir mein Psychiater zu einer stationären Behandlung in der Klinik Schützen Rheinfelden. Ich war schockiert und fühlte mich nun endgültig als Versager. Doch meine Frau bestärkte mich darin, den Rat des Psychiaters zu befolgen. Ich besuchte die Website der Klinik. Entgegen meinen Erwartungen machte sie einen freundlichen Eindruck, und ich liess mich auf ein Vorgespräch ein. Meine Frau begleitete mich. Das half mir sehr. Das Gebäude der Klinik überraschte mich positiv. Ich sah nur das Hotel Schützen mit seiner schönen Parkanlage und dem einladenden Restaurant mit Gartenterrasse. Wo war die Klinik? Erst später erfuhr ich: Die Klinikzimmer und Aufenthaltsräume befinden sich im ersten und zweiten Stock des Hotels. Im dritten Stock gibt es Zimmer für Hotelgäste.

Das Vorgespräch führte eine Oberärztin. Sie war sehr verständnisvoll, interessiert und wirkte sehr erfahren. Das beruhigte mich. Sie erklärte mir, wie die Behandlung während des Aufenthalts ablaufen würde. Der Einblick in die verschiedenen Abteilungen half mir, meine Vorurteile und Ängste abzubauen. Trotz allem fiel es mir schwer. Doch ich wollte genesen und entschied mich für den Aufenthalt.

Eine Woche später war ich bereits in der Klinik. Die Kostengutsprache der Krankenversicherung hatte die Klinik für mich organisiert. Ich blieb fünfeinhalb Wochen. Länger als erwartet. Rückblickend erscheint mir die Zeit sehr kurz. Anfänglich ging es darum, nicht an der Situation zu verzweifeln und wieder Ruhe, Kraft und Zuversicht zu gewinnen. Grosse Unterstützung erhielt ich dabei von den Pflegefachpersonen. Sie waren rund um die Uhr anwesend und nahmen sich viel Zeit für Gespräche. Die Einzelpsychotherapien bei meiner Ärztin halfen zusätzlich. Darüber hinaus empfand ich den Austausch mit anderen Patienten als sehr wohltuend. Ihre eigenen Therapiefortschritte vermittelten mir Hoffnung. Die geduldige und sorgfältige Informationsvermittlung meiner Ärztin bewog mich zur Einnahme von Antidepressiva. Anfänglich war ich skeptisch, doch ich spürte, dass mir die Medikamente zu mehr Energie verhalfen.

Mein Einzelzimmer diente mir als Rückzugsort. Die Gruppentherapie besuchte ich immer lieber. Ich fühlte mich in der schönen und gepflegten Umgebung wohl. Es tat gut, zu geniessen, abzuschalten und nicht arbeiten zu müssen. Auch das feine Essen und der lebhafte Austausch mit anderen Patienten wirkten positiv.

Während meiner Zeit in der Klinik konnte ich auch meine Vorbehalte gegenüber Körpertherapien abbauen. Ich lernte hilfreiche Entspannungsmethoden kennen und anwenden. Akupressur und Tai-Chi halfen mir, die Bedürfnisse meines Körpers besser zu erkennen, und die Physiotherapie löste meine Verspannungsschmerzen. In der Kunsttherapie lernte ich, meine Ängste und Hoffnungen bildlich darzustellen und zu verstehen.

Die Psychotherapie zeigte mir auf, dass meine eigenen hohen Ansprüche, meine geringe Flexibilität und meine fehlende Selbstsorge die berufliche Belastung zusätzlich verstärkt hatten. Ich realisierte, wie ich durch die viele Arbeit meine früheren Interessen vernachlässigt hatte, und begann deshalb, wieder Schach zu spielen, entdeckte meine Leidenschaft fürs Lesen neu. Bereits von der Klinik aus machte ich mir Gedanken über die Neuorganisation meiner Arbeitssituation und besprach dies mit meinen Kollegen. Die Distanz zur Familie fiel mir anfangs schwer. Doch ich konnte meiner Frau und meinen Kindern nun wieder mehr Interesse entgegenbringen. Klärende Gespräche, darunter ein Familiengespräch in der Klinik, waren sehr hilfreich.

Der Austritt aus der Klinik fiel mir nicht nur leicht. Ich musste mich von vielen Menschen verabschieden, die mir in der kurzen Zeit wichtig geworden waren. Doch mir ging es viel besser. Ich hatte hoffnungsvolle Ideen und Pläne, wie ich mein Leben verändern wollte, um nicht wieder in ein Burnout zu geraten. Doch würde mir dies gelingen?

Die Gefahr, in alte Muster zu verfallen, war gross. Es hatte sich während meiner Abwesenheit viel Arbeit angestaut. Zusammen mit meinen Kollegen organisierten wir die Arbeit neu. Die Freizeitaktivitäten, die ich bereits von der Klinik aus geplant hatte, waren sehr förderlich.

Sehr wichtig war für mich die ambulante Behandlung beim Psychiater, der mich schon vor dem Klinikaufenthalt behandelt hatte. Er unterstützte mich in meiner neuen inneren Haltung: mich abzugrenzen, Wünsche und Erwartungen gegenüber anderen mehr anzubringen, besser auf mich zu schauen und mir auch mal etwas zu gönnen. So selbstverständlich das klingt, es war mir lange kaum möglich und fällt mir heute noch schwer. Dennoch bin ich überzeugt, dass mir diese Haltung guttut. Sie hat in den meisten Beziehungen eine klärende und positive Wirkung. Ich habe mein Burnout überwunden und den Weg in ein neues, vielseitigeres und reicheres Leben gefunden. Heute bin ich mich selbst und nicht mehr nur «Erlediger und Funktionierender».